Busfahren in Münster wird teurer. Und Autoparken?
Disclaimer: Ich arbeite seit dem 1. März 2020 für die Stadt Münster (in der Stabsstelle Smart City). Den folgenden Text habe ich vor meinem jetzigen Arbeitsverhältnis mit der Stadt Münster geschrieben und veröffentlicht. Er spiegelt meine damalige Meinung wider.
Zusammen mit zwei Mitstreitern von Code For Münster war ich letztes Wochenende auf dem Münstercamp 2019. Eine schöne Veranstaltung, die Lust zum aktiven Verändern und Gestalten von Münster gemacht hat. Das Thema Mobilität kam immer wieder zur Sprache, u.a. gab es eine Session von Simon von der IG Fahrradstadt Münster mit dem Titel „Verkehrsinfarkt?“.
Auch der Oberbürgermeister Markus Lewe war anfangs zugegen und hatte die Gelegenheit etwas zum Oberthema „In welchem Münster möchtest Du leben?“ zu sagen. Neben anderen Themen war auch bei ihm das Thema Mobilität ganz oben auf der Agenda. Er wünsche sich eine Münster, in dem alle gerne bereit seien, Fahrrad zu fahren. Lewes Motto kulminierte dann im Hashtag #bikeFirst. Leider hatte Markus Lewe keine Zeit mehr, um selber eine Session anzubieten, oder sich ganz akute Probleme in der #nennMichNichtFahrradstadt Münster anzuhören. (Immerhin reagiert er auf einmal auf Twitter auf den ein oder anderen Tweet.) Steckt etwas hinter Lewes wohlklingenden Worten?
Bike First? Erstmal Busfahren teurer!
Nun saß Herr Lewe zwei Tage vorher im Rat der Stadt Münster, wo die schwarz-grüne Koalition eine weitere Preissteigerung der ohnehin schon teuren Bustickets in Münster beschlossen hat. Klar, alle MünsteranerInnen fahren ja immer nur Fahrrad, da müssen ja die leeren Busse ein teurer Spaß sein:
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen für den ÖPNV im Stadtgebiet Münster mit langanhaltendem extrem trockenem Wetter in 2018 (bei einem Regentag fahren durchschnittlich 30 % mehr Fahrgäste mit dem Bus) sowie zunehmenden mehrstündigen Verkehrsstaus in den Spitzenzeiten bei weiterhin fehlender ÖPNV-Beschleunigung sind auch im Jahr 2018 die Fahrgastzahlen weiter auf einen neuen Rekordwert von 46,3 Mio. angestiegen. (Quelle (S. 2), Hervorhebungen von mir)
Ähnlich wie beim Radverkehr: Die Menschen nutzen umweltfreundliche Verkehrsmittel trotz der Steine, die die Stadt in den Weg legt oder zumindest nicht wegräumen möchte.
Wurde die letzte Bus-Preissteigerung noch durch zu viel Stau auf Münsters Straßen begründet (ein Umstand, der dem Rat der Stadt nunmehr seit mindestens fast einem Jahr offizell bekannt ist), so argumentieren die Stadtwerke für die diesjährige Preissteigerung leider auf dem Rücken der BusfahrerInnen, die besser bezahlt werden. Diese zusätzlichen Kosten müssten nun anteilig durch die Fahrpreise wieder reingeholt werden. Insgesamt veranschlagen die Stadtwerke unerwartete Mehrkosten von ca. 2.767.000 € (hier ist diese Zahl etwas aufgedröselt). Eine Menge Geld, keine Frage. Durch die weitere Verteuerung der Bustickets möchten die Stadtwerke ca. 735.000 € wieder reinholen. Dazu kommt ein erwartetes Wachstum der Fahrgastzahlen, was mit einem weiteren Plus von ca. 600.000 € berechnet wird. Die Überlegung, dass die Fahrgastzahlen (und damit die Einnahmen) noch weiter steigen könnten, wenn die Bustickets günstiger wären, findet sich leider nicht in der Begründung für die Preiserhöhung.
Wo könnten 2,75 Mio. € sonst noch herkommen?
Busfahren wird also wieder mal teurer. Wie sieht es denn im Vergleich dazu mit Preisen für das Parken von privaten Automobilen im städtischen Raum aus? Ja, ich meine diese anachronistischen Fortbewegungsmittel, die Schadstoffe ausstoßen (meist mehr als erlaubt, wen kümmern schon Gesetze!), selten mehr als 2 Personen transportieren, verantwortlich für neun Tote pro Tag sind (deutschlandweit) und von denen es gegen jeden Menschenverstand trotzdem immer mehr auf den Straßen gibt. Irgendjemand hielt es mal für eine gute Idee, diese Maschinen in die Innenstädte reinzulassen. Dann sollte man doch wenigstens ordentlich bezahlen, wenn man öffentlichen Raum mit einem solchen Anachronismus verschwendet, oder?
Die aktuell gültige Parkgebührenordnung der Stadt Münster sieht pro halber Stunde Parken folgende Preise vor: 1 € in der Innenstadt (aber nicht an Markttagen frühmorgens auf dem Domplatz, dann sind es nur 0,60 €) und 0,60 € im übrigen Stadtgebiet. Man kann also entweder ein Einzelticket für den Bus kaufen (3,30 €) oder ein Auto für 90 Minuten mitten in die Innenstadt stellen (3 €). Parken ist also offensichtlich viel zu billig.
Das ist doch den Verantwortlichen bestimmt auch schon aufgefallen, oder? Pustekuchen, die letzte Änderung der Parkgebühren wurde im November 2016 verabschiedet: 1 € statt 0,75 € bzw. 0,60 € statt 0,50 €. Allein für diese äußerst moderate Steigerung wurden damals 210.000 € jährliche Mehreinnahmen geschätzt. Wie viel Geld könnte man durch immer noch viel zu billiges Autoparken von 2 € pro halber Stunde erst einnehmen? Tatsächlich ist Autoparken momentan um den Faktor 7 zu billig in Münster, wie diese Rechnung von Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gerlach von der Uni Wuppertal zeigt.
Die WBI möchte auch noch mitmischen
Nun gibt es in Münster auch noch acht innerstädtische Autoparkhäuser. Diese Autoparkhäuser werden durch die Westfälische Bauindustrie GmbH (WBI) betrieben. Klingt privat, ist aber zu 100% Eigentum der Öffentlichkeit: Die WBI gehören zu 1% der Stadt Münster und zu 99% den Stadtwerken Münster (die wiederum zu 100% der Stadt Münster gehören). Ich habe im Ratsinformationsystem der Stadt Münster nach Beschlüssen zu einer Preiserhöhung in diesen städtischen Parkhäusern gesucht, aber leider nichts finden können. Stattdessen bin ich aber über die Jahresabschlussberichte der WBI gestoßen. Hier ein Auszug aus dem Protokoll der Ratssitzung, die das Geschäftsjahr der WBI 2016 als einen Tagesordnungspunkt hatte:
Hui, wieder viel Geld (2,75 Mio. € … vgl. mit den Bus-Mehrkosten), diesmal aber als Einnahmen für die Stadtwerke (und die Stadt). Woher kommt das Geld?
Aha! Die Stadt macht also einen Reibach damit, dass Menschen immer mehr mit Autos in die Stadt fahren und diese Autos in die städtischen Autoparkhäuser stellen (was sie wohl auch tun). Und leider scheint die Stadt auch keinen „bedrohlichen Einschnitt“ für den „Geschäftsbereich Parken“ vorzusehen. Schon klar, dass man diesen Geldhahn nicht zudrehen möchte.
Was kümmern einen da schon die Bus-Mehrkosten durch Autostau oder die Belastungen der BürgerInnen durch den steigenden Autoverkehr. Im Gegenteil, mit dem bargeldlosen Zahlen in den Parkhäusern durch die Stadtwerke PlusCard ermuntern die Stadtwerke geradezu dazu, noch mehr mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Der Verkehrsinfarkt-Plan scheint aufzugehen, denn durch diesen „Service“ wandern ca. 47.000 € von der linken (Stadtwerke) in die rechte Tasche (WBI, gehören zu 99% den Stadtwerken):
Und die Politik?
Ob das finanzielle Argument nun stimmt oder nicht, die Münsteraner CDU-Ratsfraktion (wir erinnern uns daran, dass OB Markus Lewe, der oft und gerne große Worte in puncto Radverkehr findet, Mitglied der CDU ist) forderte Ende 2015 allen Ernstes noch mehr Autoparkplätze in der Innenstadt:
Dass durchschnittlich ein Drittel der bereits vorhandenen Autoparkplätze frei ist, schien die Fraktion in ihrem Einkaufswahn nicht weiter zu interessieren. Auch interessant zu sehen: Mit keinem Wort wird erwähnt, dass es der CDU-Fraktion nur um Autoparkplätze geht. Klar, FahrradfahrerInnen kaufen ja auch nicht ein. Bei der CDU-Fraktion scheint der automobile Konsens also noch vollumfänglich zu gelten.
Ich fasse zusammen: Autoparken in Münster ist viel zu billig und eine Initiative für eine Preiserhöhung liegt in weiter Ferne (wenn überhaupt). Dabei könnte die Stadt durch die WBI und die Parkgebührenordnung die Preise erhöhen und dadurch ganz elegant den Autoverkehr in der Innenstadt reduzieren (was neben vielen anderen positiven Nebenwirkungen auch zu weniger Stau und dadurch weniger Verspätung und weniger Mehrkosten beim Busverkehr führen würde). Tja, lieber Herr Lewe, stimmt wohl doch nicht so mit Ihrem #bikeFirst. Es sieht mir nach wie vor viel mehr nach einem #CarFirst aus.
P.S.: Man könnte meinen, eine Partei, die sich Umweltschutz auf die Fahnen schreibt, und seit 2016 zusammen mit der CDU diese Stadt regiert, hätte hier etwas drehen können. Leider korrumpiert Macht ganz offensichtlich aber auch die Grünen, die den Buspreissteigerungen in der letzten Woche ebenso zustimmten, wie sie auch schon bei der Seebrücken-Abstimmung umgefallen sind.
Nachtrag, 21.2.2019
Ganz vergessen habe ich die Gebühren für das Anwohnerautoparken (relevant dort, wo Autoparken nicht ohnehin komplett kostenlos ist): 17 €. Pro Jahr! Da ein Jahr 8760 Stunden hat, sind das sagenhafte 0,0019 € pro Stunde. Zum Vergleich: Das ab dem 1. August 2019 günstigste Busfahrabo der Stadtwerke (8 Uhr-Abo) kostet 31 €. Pro Monat. Zur leichten Erhöhung der Anwohnerautoparkgebühren zum 1. Januar 2019 gab es extra eine Pressemitteilung (ich konnte keine Pressemitteilung der Stadt zur Buspreiserhöhung finden), die mit folgendem, alles sagendem Satz endet (meine Hervorhebung):
Im interkommunalen Vergleich liegen die Gebühren für Bewohner[auto]parkausweise in Münster weit unter dem Landesdurchschnitt.
Alle Welt ruft immer: Wir müssen Alternativen schaffen, damit Menschen das Auto stehen lassen und stattdessen Bus, Bahn, Fahrrad und Fuß benutzen! Münster scheint alles dafür zu tun, dass diese Alternativen noch unattraktiver werden.
Nachtrag, 22.2.2019
Im Text Link zur Faktor-7 Berechnung hinzugefügt.
Nachtrag, 21.11.2019
Im Rahmen meiner Beschäftigung mit den Münsteraner Klimaschutzkonzepten (erste Ergebnisse), ist mir aufgefallen, dass die CDU-Fraktion mit obigem Antrag für mehr Autoparkplätze auch de facto gegen das von ihnen mit verabschiedete Klimaschutzkonzept 2020 verstoßen hat. Das Klimaschutzkonzept sieht ausdrücklich ein „Gesamtstädtisches Parkraummanagement“ mit dem Ziel „den Motorisierten Individualverkehr in seinem absoluten Aufkommen zu reduzieren“ vor. Dazu sollte „[i]n einem ersten Schritt […] Parkraum […] in der Innenstadt abgeschafft und im übrigen Stadtgebiet minimiert [werden].“ (Quelle: Hauptvorlage, dort S. 101 & 102) Der Antrag der CDU-Fraktion für mehr [Auto-]Parkraum (s. o.) sieht das genaue Gegenteil vor.
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